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Rittner Bahn
Rittner Bahn
Rittner Bahn

Dolomitenpanorama inklusive

In Südtirol existiert oberhalb von Bozen auf 1200 Meter Höhe ein technisches Kleinod: die elektrische Schmalspurbahn von Oberbozen nach Klobenstein. Im holzvertäfelten Triebwagen von 1907 hat man noch Zeit, die Pracht der Dolomiten auf sich wirken zu lassen. Eine Fahrt mit der Rittner Bahn ist sommers wie winters ein Erlebnis.

"Bei heiterem Sonnenschein kam ich nach Bozen. Die vielen Kaufmannsgesichter freuten mich beisammen. Ein absichtliches, wohlbehagliches Dasein drückt sich recht lebhaft aus. Auf dem Platze saßen Obstweiber mit runden, flachen Körben, über vier Fuß im Durchmesser, worin die Pfirschen nebeneinander lagen." So erlebte Johann Wolfgang von Goethe schon 1786 die beeindruckende Üppigkeit der Südtiroler Landschaft. Vor allem die südländische Atmosphäre mit Weingärten, Palmen und Zypressen begeisterte ihn. Doch schon Goethe hielt es nicht lange aus, das Reisefieber zog ihn wie weiter in den Süden. So geht es bis heute auch den meisten seiner Nachfahren. Wer jedoch ein wenig Zeit und Muße mitbringt, der kann oberhalb von Bozen in eine längst vergangene Kleinbahnwelt eintauchen. Vor allem im Winter kann man dort abseits vom Skitrubel bei einer gemütlichen Fahrt mit der Rittner Bahn in aller Ruhe die verschneiten Dolomiten genießen.

Per Schmalspurbahn in die Sommerfrische

Während viele Nordländer die südliche Sonne suchen, leiden die Bozner im Sommer oft unter der drückenden Hitze im engen Talkessel. Das unmittelbar vor der Haustür liegende Hochplateau des Ritten versprach den Städtern auf gut 1200 Metern Höhe seit jeher ein frisches Lüftchen. Bereits im 17.Jahrhundert errichteten reiche Bozner Kaufleute die ersten herrschaftlichen Sommerhäuser auf dem Ritten und begründeten die "Sommerfrischtradition". Andere taten es ihnen gleich, und so entstanden die Orte Oberbozen, Klobenstein und Maria Himmelfahrt.
Damals wie heute stellte sich dasselbe Problem: wie kommt man hinauf auf den Berg?
Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es nur einen schmalen Pflasterweg, um die 1000 Höhenmeter zwischen Eisacktal und Rittenplateau zu überwinden. Auf vollbepackten Ochsenkarren mühten sich die Einheimischen damals über Steigungen von bis zu 35 Prozent. Um den Sommerfrischlern den Auf- und Abstieg zu erleichtern, wurde 1905 der Bau einer Bahnverbindung Bozen-Ritten beschlossen. Nebenbei erhoffte man sich dadurch eine Ankurbelung des Tourismus. Bei den extremen Steigungen kam nur eine Mischung aus Zahnrad- und Adhäsionsbahn in Frage.
Unter Leitung des erfahrenen Bahnbauers Ing. Josef Riehl (er projektierte u.a. die Stubaitalbahn) wurde in nur 14monatiger Bauzeit die zwölf Kilometer lange Strecke fertiggestellt und mit 750 Volt Gleichstrom elektrifiziert. Sie führte in Meterspur vom zentralen Waltherplatz in Bozen vorbei am heutigen Hauptbahnhof zum benachbarten Rittner Bahnhof. Dort begann der gut vier Kilometer lange, steile Zahnradabschnitt, um die 911 Höhenmeter zwischen Bozen und Maria Himmelfahrt zu überwinden. Anschließend ging es wieder fast ebenerdig noch sechseinhalb Kilometer über Oberbozen nach Klobenstein.
Am 13.August 1907 war die feierliche Eröffnung der Rittner Bahn. Zunächst wurde der Verkehr von den zweiachsigen Triebwagen Nr. 11 und 12 bewältigt. Eine von drei Zahnradloks schob den Zug mit maximal 7 km/h auf der Steilstrecke nach oben. Erst 1908 ergänzten zwei vierachsige und geräumigere Triebwagen (Nr.1 und 2) den Fuhrpark. Im Jahre 1934 kam nochmals ein 1910 gebauter Vierachser (Nr.104) von der eingestellten Schmalspurbahn Dermulo-Fondo-Mendel dazu.

Seilbahn ist moderner und schneller

Jahrzehntelang versahen die Triebwagen ihren Dienst und -heute fast unvorstellbar- warfen guten Gewinn ab. Bis 1969 gab es nämlich keine befahrbare Straßenverbindung auf den Ritten. Dennoch wurde wenig in den Erhalt der Bahnanlagen investiert. Die altersschwachen Triebwagen stießen im Zeitalter des Automobils immer häufiger auf Kritik. Vor allem die lange Fahrzeit von über einer Stunde hielt man für nicht mehr tragbar.
Schließlich wurde in den 60er Jahren mit dem Bau einer Luftseilbahn begonnen, die die Distanz nach Oberbozen in nur 12 Minuten überwinden sollte. Diese Verkehrsverlagerung wurde durch einen tragischen Unfall noch beschleunigt. Eineinhalb Jahre zuvor waren der talwärts fahrende Triebwagen Nr.1 und Schublok L 1 auf der Steilstrecke entgleist und oberhalb von Bozen in die Weingärten von St.Magdalena gestürzt. Dabei waren vier Tote und dreißig Verletzte zu beklagen.
Am 14. Juli 1966 wurde die Seilbahn eröffnet, am Tag zuvor die Zahnrad- und Stadtstrecke der Schmalspurbahn stillgelegt. Pläne zur Modernisierung der Reststrecke auf dem Ritten wurden aus Kostengründen nicht weiterverfolgt, so daß Anfang der achtziger Jahre die endgültige Stillegung der Schmalspurbahn von Oberbozen nach Klobenstein bevorstand.

Modernisierung statt Stillegung

Die betroffenen Bürger auf dem Ritten wollten dies nicht hinnehmen und gingen in die Offensive. Das "Rittnerbahn-Komitee" wurde mit dem Ziel gegründet, die kleine Bahn auch in Hinblick auf den Tourismus als technisches Denkmal zu erhalten. In der Folge kaufte die Gemeinde Ritten in Süddeutschland zwei 1957 gebaute Triebwagen der eingestellten Straßenbahn Esslingen-Nellingen-Denkendorf. Die Aktien der Rittner Bahn gingen an den Südtiroler Autobusdienst (SAD), und ein umfangreiches Modernisierungsprogramm wurde aufgelegt. Der Oberbau wurde saniert, neue Fahrleitungsmasten (nach dem historischen Vorbild aus Lärchenholz) wurden gesetzt, die Bahnübergänge erhielten moderne Sicherungstechnik. In Maria Himmelfahrt wurde das Bahngebäude nach historischen Unterlagen komplett erneuert, in Klobenstein entstand eine neue Remise. So konnte 1982 zuversichtlich das 75jährige Bahn-Jubiläum gefeiert werden, 1992 folgte das 85jährige mit dem liebevoll neu gestalteten Bahnhofsbereich von Oberbozen.
Inzwischen sind die verbliebenen historischen Fahrzeuge weitgehend in Eigenregie restauriert. Der zweiachsige Triebwagen Nr.11 pendelt in der Regel zwischen Oberbozen und Maria Himmelfahrt, die geräumigeren Vierachser bewältigen den Verkehr in Richtung Klobenstein. In der Tourismussaison werden die historischen Fahrzeuge eingesetzt. Der aufgearbeite "Esslinger" dient dabei vorwiegend zu Verstärkungsfahrten. Ein Taktfahrplan sorgt in Oberbozen für den regelmäßigen Anschluß an die Seilbahn von und nach Bozen.
Die unscheinbare und recht spartanische Seilbahngondel unweit des Bozner Hauptbahnhofes läßt jedenfalls nicht vermuten, welches Kleinod auf den Reisenden am Ende der Bergfahrt wartet: holzvertäfelte, sorgfältig gepflegte und voll funktionsfähige Triebwagen vom Anfang dieses Jahrhunderts, die stündlich zu einer gemütlichen Fahrt durch eine herrliche Landschaft starten. Das beste daran: das grandiose Dolomitenpanorama ist im Fahrpreis inklusive.


Reisetipps:

Anreise: Von München nach Bozen über die Brennerbahn bzw. Brenner-Autobahn. Täglich gibt es zweistündliche Direktverbindungen mit EuroCity-Zügen. Zugfahren ist in Italien extrem preiswert. (Zusätzlich entfernungsabhängiger IC-Zuschlag.)
Rittner Bahn: Die Seilbahnstation befindet sich wenige Gehminuten nördlich vom Hauptbahnhof. Es gibt Kombi-Tickets für die Weiterfahrt mit der Schmalspurbahn. Im Bahnhof von Oberbozen befindet sich eine kleine Ausstellung über die Rittner Bahn.
Unterkunft: im Sommer auf dem Ritten kein Problem, im Winter sind jedoch fast alle der "Sommerfrischler"-Hotels geschlossen. Dafür stehen in Bozen Hotels und Gasthöfe in allen Preislagen zur Verfügung. Hier ist auch das gastronomische Angebot umfangreicher. Tiroler und italienische Küche existieren in trauter Koexistenz. Die Krönung: Laugenbrötchen belegt mit Tomaten und Mozzarella-Käse!

Weitere Informationen:

Verkehrsamt Ritten
I- 39054 Klobenstein-Collalbo
Tel: Italien-471-356100
Fax: Italien-471-356799

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