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Landkarte
Romanshorn-Hafen
Seehaas
Konstanz

Zügig um den See herum

Mit der Eisenbahn durch drei Länder: im Zug lässt sich der Bodensee bequem und umweltfreundlich entdecken.

"Manche Gegenden besitzen offenbar die Wirkung von Rauschmitteln", so hat der Autor Manfred Bosch die Landschaft um den Bodensee beschrieben. In der Tat gibt es wenige Orte nördlich der Alpen, bei deren Anblick man so schnell ins Schwärmen kommt wie an den Ufern des Bodensees. In Regionalzügen kann man bei einer bequemen Tagestour durch drei Länder reisen und dabei die abwechslungsreiche "Euregio" erkunden. Dabei kommen nicht nur Bahnenthusiasten auf ihre Kosten.

"Schwäbisches Meer" wird der drittgößte See Mitteleuropas im Südwesten Deutschlands gerne genannt. Dabei müssen ihn sich die Schwaben auch noch mit Bayern, Österreichern und Schweizern teilen. Die Grenzziehung im See ist bis heute nicht eindeutig geregelt. Doch die länderübergreifende Zusammenarbeit vor allem im Umweltbereich wird dadurch eher gefördert als behindert. Stolz wirbt man im Dreiländereck seit einigen Jahren mit dem Slogan "Euregio Bodensee".
Dichter und Künstler zog es schon immer hierher. Für manch einen wie etwa den Maler Otto Dix wurde aus einem kurzen Aufenthalt der letzte Wohnsitz. Und wahrscheinlich braucht es wirklich ein ganzes Leben, um all die idyllischen Winkel und kleinen Ortschaften entlang der Ufer zu erkunden.

Sight-Seeing im Stundentakt

Doch nicht nur Künstler und Poeten fasziniert die manchmal mediterran anmutende Landschaft. Jährlich lockt der Bodensee Hunderttausende von Urlaubern und Ausflüglern an. Leider kommen diese -wie sollte es auch anders sein- in der Regel mit Auto oder Bus, was den Uferstraßen an den Wochenenden ein regelmäßiges Verkehrschaos beschert. Doch das muss nicht sein, denn der Bodensee ist von allen Seiten mit der Eisenbahn gut erreichbar. Noch besser: man kann sogar mit dem Zug um ihn herum fahren. Anstatt im Stau zu stehen, kann man sich gemütlich zurücklehnen und auf diese Weise einen Überblick über die ständig wechselnden landschaftlichen Schönheiten gewinnen. Eine Strecke von gut 200 Kilometern gilt es dabei zurückzulegen. Die reine Fahrzeit beträgt etwa dreieinhalb Stunden, die Züge verkehren teilweise im Halbstundentakt.
So kann man aus der Seeumrundung einen bequemen Tagesausflug mit Unterwegshalten machen. Der Bodensee-Halbpreispass oder preisgünstige Tageskarten machen die grenzüberschreitende Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln recht unkompliziert. Da die Bahngesellschaften die Touristenwerbung hauptsächlich auf ihre Schiffsflotte konzentrieren, kann es Probleme beim Kauf eines Tickets für die Seeumrundung geben. Unter Uniständen ist es einfacher, die Fahrkarten etappenweise beim Umsteigen zu besorgen.
Das schwäbische Radolfzell am Untersee ist ein guter Ausgangspunkt für die Seeumrundung. Seit Einführung des Allgäu-Oberschwaben-Taktes auf deutscher Seite verkehren von hier stündlich Züge in Richtung Konstanz oder über die sogenannte "Bodenseegürtelbahn" nach Lindau. Wer den See im Uhrzeigersinn umrunden möchte, der fährt zunächst vom Untersee über die noch recht unberührte Halbinsel Bodanrück nach Ludwigshafen am Überlinger See. Manche Einheimische nennen diese hügelige, von Wäldern und Obstanbau geprägte Landschaft liebevoll auch "Bodensee-Toskana".
Zwischen Ludwigshafen und Überlingen befindet sich einer der schönsten Uferabschnitte: der Zug fährt direkt am Wasser entlang, während auf der anderen Seite steile Felswände die Bundesstraße begrenzen. Immer wieder hat man Panoramaausblicke auf den See, Segelboote und Jachten dümpeln direkt neben dem Bahngleis.

Bio-Obst auf der Insel

Östlich von Sipplingen wurde vor einigen Jahren mit Hilfe der Eisenbahn eine Landzunge von 30O Metern Länge aufgeschüttet. Durch diese vom Land Baden Württemberg geförderte Renaturierung des Uferbereichs sollen die Strömungsverhältnisse des Wasser verbessert und die Erosion am jetzigen Steilufer eingedämmt werden. Gleichzeitig hofft man auf einen besseren Schutz der im Wasser liegenden Pfahlbaureste, die als Internationales Kulturdenkmal anerkannt sind.
Diese Seeseite wird von der Sonne reichlich verwöhnt. Die Gemeinde Überlingen zähl stattliche 234 Sonnentage im Jahr, beim nahegeIegenen Kloster Birnau wächst der bekannte Bodenseewein.
Die autofreie Gemeinde UnteruhIdingen ist für ihre Pfahlbauten am Seeufer bekannt und hat sich den UmweItschutz groß auf die Fahnen geschrieben. Getränkedosen sind zum Beispiel verpönt, an die Gastronomie werden ,,grüne Sterne" für umweltfreundliches Verhalten verliehen.
Gegenüber liegt mitten im See die berühmte Blurneninsel Mainau. Auch hier wird großer Wert auf umweltfreundliches Verhalten gelegt. Neben den botanischen Gärten werden auf vier Hektar biologisch-organisches Obst angebaut, Flächen werden extensiviert und in Biotope uingewandelt, die Inselrestaurants haben sich auf Bio-Küche eingestellt. Kindergruppen und Schulklassen wird in der "Grünen Schule Mainau" der richtige Uingang mit der Natur vermittelt. Es existiert sogar ein grünes Telefon (O7531-33191), das bereitwillig Auskunft zu Gartenfragen erteilt.
Früher konnte man vom Unteruhldinger Hafenbahnhof direkt auf die Schiffe zur Mainau umsteigen, doch die kurze Stichbahn nach Unteruhldingen wurde schon 1950 geschlossen. Die eigentliche Bodenseegürtelbahn schwenkt nämlich kurz vorher ins flache Hinterland und erreicht das Seeufer erst wieder in der Zeppelinstadt Friedrichshafen. Dort zweigt vom Stadtbahnhof ein kurzes Gleis zum Hafenbahnhof ab. Das ehemalige Empfangsgebäude im Bauhausstil wurde 1996 zur neuen Attraktion mit Luftschiffmuseum umgebaut.

Malerische Alpenkulisse

Wer die Tour abkürzen will, kann von hier aus auch per Fähre nach Romanshorm am Schweizer Ufer übersetzen. Doch eigentlich sollte man Lindau und Bregenz auf keinen Fall verpassen. Auf der Weiterfahrt rücken die Vorarlberger Alpen nämlich immer näher. An den Zwiebeltürmen der Dorfkirchen ist unschwer zu erkennen, dass inzwischen Bayernland erreicht ist. Lindau ist eine Inselstadt und besitzt wohl neben Westerland auf Sylt den einzigen Inselbahnhof Deutschlands mit einer Bahndammverbindung zum Festland. Wie so oft bei den Bodenseebahnhöfen beginnt auch in Lindau die Uferpromenade gleich hinter dem sorgfältig restaurierten Jugendstil-Bahnhofsgebäude von 1923.
In Lindau ist Umsteigen unvermeidlich, blau-weiße Triebwagen der Österreichischen Bundesbahn bringen einen wieder direkt am Ufer entlang nach Bregenz. Hier reichen die ersten Ausläufer der Alpen bis ans Ostufer des Bodensees heran, was der Festspielstadt eine malerische Kulisse verleiht. Das österreichische Seeufer erstreckt sich gerade mal bis zum Mündungsgebiet des Rheins. Der alte Arm des Flusses bildet gleich wieder die Grenze zur Schweiz.
Durch Flussbegradigungen im Rheintal konnten die früher gefährlichen Hochwasser eingedämmt werden, doch dafür schwämmt der Rhein nun auf seinem Weg aus den Bergen tonnenweise Gestein in den Bodensee. Die Uferzonen um Rheineck drohen zu verlanden, werden sie nicht regelmäßig ausgebaggert.
Stündliche Reglonalbahnen und einige Eurocity-Züge bewältigen die 14 Kilometer von Bregenz zum Schweizer Grenzort Sankt Margrethen in wenigen Minuten. In der Schweiz beginnt nun das eigentliche Bahnvergnügen in schnellen und bequemen Zügen auf durchweg elektrifizierten Strecken im Stundentakt.

Schweizer Bahn-Idylle

Gepflegte und schmucke Bahnhofsgebäude mit Blumenampeln und blühenden Geranien machen das Warten erträglich. Selbst in den kleinsten Stationen sind die Anlagen für den Güterverkehr noch in Betrieb. In Rorschach oder Romanshorn halten die Züge direkt am Hafen, so dass man ohne Probleme auf die Ausflugsdampfer überwechseln kann. Daneben existieren noch einige Anschlussbahnen, wie etwa die seit 1875 bestehende Zahnradbahn von Rorschach in den 400 Meter höher gelegenen Luftkurort Heiden.
Da die Züge von Sankt Margrethen in Richtung Sankt Gallen fahren, ist für die Seeumrundung in Rorschach "fliegender Wechsel" angesagt, teilweise auch noch in Romanshorn, wo die Züge quasi an der Kaimauer halten und direkte Übergänge zu den Fährschiffen bestehen. Der bunte Triebwagen der Bodensee-S-Bahn "Seehaas" in Richtung Schaffhausen oder Singen steht am Nachbargleis schon bereit. Im Mai 1994 hat die Schweizer Mittelthurgaubahn den gesamten Nahverkehr zwischen Konstanz und Engen von der Deutschen Bahn übernommen, später kam auch noch die Strecke Romanshorn-Schaffhausen dazu.
Im Kanton Thurgau wird die Landschaft wieder etwas flacher, alte Gehöfte und Obstwiesen prägen das Bild der Gegend, die deshalb auch "Mostindien" genannt wird. Manchmal fühlt man sich auf der Schweizer Seeseite mit all den grünen Wiesen und kleinen Bäumchen in eine rechte Modellbahnidylle versetzt. Traditionspflege wird bei den Eidgenossen ja bekanntlich großgeschrieben.
Wo am deutschen Seeufer noch in den siebziger Jahren fleißig abgerissen wurde und heute manch hässlicher Betonklotz die einst mondänen Seepromenaden verunstaltet, da haben die Schweizer ihre alten Fachwerkhäuser liebevoll gehegt und gepflegt. Noch immer stehen etwa bunt bemalte hölzerne Fensterläden hoch im Kurs, auch die moderne Architektur fügt sich harmonisch in die Landschaft.
Da die Bahnstrecke über Stein am Rhein nach Schaffhausen kurz vor Konstanz abzweigt, muss im Konstanzer Nachbarort Kreuzlingen je nach Zug nochmals umgestiegen werden. Man kann allerdings auch von Kreuzlingen in die beschauliche Studentenstadt hinüberlaufen und die Gelegenheit zum Einkauf im Schweizer Grenzort nutzen.
Der Konstanzer Bahnhof mit seinem eindrucksvollen "Campanile" befindet sich wieder in unmittelbarer Seenähe. Nebenan dreht sich auf der Hafenpromenade unübersehbar die einst heftig umstrittene Skulptur "lmperia Constantia" des Künstlers Peter Lenk. Gleich hinter dem Bahnhof überquert der Zug die mächtige Rheinbrücke aus den dreißiger Jahren. Von hier aus hat man nochmals einen herrlichen Panoramablick über die ganze Weite des Bodensees und die angrenzenden Alpen. Danach geht es am Ufer von Untersee und Gnadensee an der Insel Reichenau vorbei zurück nach Radolfzell.
Natürlich kann man bei solch einer Seeumrundung nur einen Bruchteil all der SehenswürdigkeIten im Bodenseegebiet erleben. Aber man gewinnt doch einen Eindruck von der landschaftlichen Vielfalt und den regionalen Unterschieden. Und auch wenn es manchmal etwas unbequem scheint: die Fahrt im Regionalzug durch das unmittelbare Hinterland schont die Umwelt, und sie liefert zudem oftmals ein authentischeres Bild von Land und Leuten als die mit Touristen vollgestopften Ausflugsdampfer.


Reisetipps:

Anreise per Bahn, Tarife und besondere Tageskarten nach aktuellem Stand, dazu Infoadressen und Internet-Infos, weitere Tipps für Bahnfreunde (Berg- und Museumsbahnen.)

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