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Artikel von November 2005
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Der Tipp für unterwegs:

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AMTRAK Reisetipps

Reisezeit: Die Wintermonate sind ideal für Reisen in den Südwesten der USA und Südkalifornien. In den Bergen kann es dagegen selbst in Arizona sehr kalt werden und schneien. Im Sommer leidet der Süden oft unter extremer Hitze, dafür ist es im Norden und mittleren Westen naturgemäß grüners und angenehmer.

Bahnreisen: Von Chicago aus werden 2005/2006 drei Ost-West-Routen befahren. Der "Empire Builder" fährt nördlich entlang der kanadischen Grenze nach Seattle und Portland, wo in der Regel Anschluß an den "Coast Starlight" die Küste hinunter nach San Francisco und Los Angeles besteht. Der "California Zephyr" fährt durch das Zentrum über Omaha, Denver, Salt Lake City und Reno nach San Francisco. Der "Southwest Chief" fährt weiter südlich teilweise entlang der historischen Route 66 nach Los Angeles. Ganz im Süden verbindet der "Sunset Limited" Florida über New Orleans und entlang der mexikanischen Grenze mit Los Angeles.

Abteile: Am günstigsten ist die Coach-Class im Großraumwagen mit bequemen Liegesesseln mit viel Beinfreiheit. Superliner-Roomette-Abteile sind etwas eng, bieten aber bequeme, relativ günstige Schlafmöglichkeiten. Die großräumigen Bedrooms bieten Platz für bis zu 4 Personen, haben teilweise eigene Bäder und sind daher so teuer wie ein Mittelklasse-Hotel.

Tickets: Das Ticket für die hier beschriebene Reise von San Francisco nach Chicago kostet je nach Saison im Superliner-Roomette-Abteil knapp 400 Dollar. Während der dreitägigen Reise sind alle Mahlzeiten inklusive. Das einfache Coach-Class Ticket kostet ab 168 Dollar. Auf der Amtrak-Homepage gibt es wöchentlich extrem günstige Last-Minute-Angebote für einzelne Strecken. Die meisten Züge müssen im Voraus reserviert werden.

Rail-Pässe: Für Ausländer gibt es sehr preiswerte Rail-Pässe, die teils auch in Canada gelten. Der Globalpass kostet im Dezember 2005 xx Dollar, in der Hochsaison xx Dollar.

Buchung: Internet www.amtrak.com, Telefon USA: 800-USA-RAIL (kostenlos), man kann telefonisch kostenlos Tickets reservieren und erhält diese dann am Schalter.
Infos in Deutschland:

NorthAmerica Travel House
CRD International
Stadthausbrucke 1-3
20355 Hamburg, Germany
Telephone:(040) 300 616 0
fax (040) 300 616 55

MESO Amerika-Kanada Reisen
Wilmersdorfer Str. 94
Berlin
Telephone: 0180-525-4350
Fax: (0) 30/883 55 14

Get Your Kicks...

Mit Amtrak im "California Zephyr" quer durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Nicht die historische Route 66 in den USA soll das Ziel sein, sondern die transkontinentale Bahnverbindung von San Francisco nach Chicago.

San Francisco, 8 Uhr morgens. Trotz reichlich Zeit in dieser wunderbaren Stadt fällt der Abschied an diesem milden Novembermorgen nicht leicht. Der Himmel ist tiefblau und wolkenlos, die Sonne lacht, die Hochhaustürme von Downtown leuchten im klaren Morgenlicht. Von Wolken und Nieselregen vom Vortag keine Spur mehr.
Das ist das Verrückte an dieses Stadt: das Wetter ist so unberechenbar wie das gesamte, stets von Erdbeben bedrohte Leben hier. Während auf der Ostseite der San Francisco Bay bestes Wetter herrscht, kann die Golden Gate Bridge im Westen von einem Augenblick zum nächsten bereits unsichtbar und unheimlich im Nebel verschwinden.
Während der halbstündigen Fahrt im Amtrak-Bus über die nicht weniger beeindruckende Bay Bridge nach Oakland hat man nochmals einen grandiosen Blick zurück auf Downtown, den Telegraph Hill und die Piers, ganz hinten erspäht man die Gefängnisinsel Alcatraz und die herrliche Golden Gate Bridge. Und plötzlich wird einem ganz wehmütig ums Herz. Ob es wohl richtig war, jetzt schon San Francisco zu verlassen? Hätte man nicht noch ein paar Tage bleiben sollen? Oder ein paar Wochen? Vielleicht ein halbes Leben?
Aber richten wir den Blick gerade aus nach Vorne, weg von San Francisco nach Osten, denn dorthin soll die Reise gehen. Quer durchs Land der unbegrenzten Möglichkeiten, per Bahn, mit dem "California Zephyir", der täglich als eine von vier transkontinentalen Bahnverbindungen San Francisco mit Chicago verbindet. Drei Tage und zwei Nächte dauert diese Reise auf einer in jeder Hinsicht historischen Route, durch das Sierra Nevada-Gebirge, zahlreiche Canyons, über die Rocky Mountains und durch flaches, endloses Weideland im Mittleren Westen.
Bahnfahren in den USA ist fast noch ein Abenteuer und mit europäischen Verhältnissen kaum zu vergleichen, das sieht man schon morgens in San Francisco. Die viertgrößte Westküstenstadt und Finanzmetropole hat keinen Bahnhof für Überlandzüge. Ein Amtrak-Bus bringt die Handvoll Reisender vom Amtrak-Büro am Ferrybuilding hinüber auf die andere Seite der Bay zur kleinen Bahnstation von Oakland/Emeryville.
Von dort bricht jeden Morgen um 9.15 Uhr der California Zephyr zu seiner dreitägigen Reise auf. Emeryville wirkt zwar wie eine mittelmäßige S-Bahnstation, aber immerhin gibt es ein Bahnhofsgebäude und einen richtigen Bahnsteig, was bei den weiteren Zughalten nicht immer der Fall sein wird.

Eine Nummer größer

Wie so oft in den USA ist auch bei der Bahn vieles etwas größer als normal. Da die wenigsten Strecken eine elektrische Oberleitung haben, sind die Grenzen nach oben offen. Bei den bis zu zwei Kilometer langen Güterzügen, die in der Regel mit mindestens vier mächtigen Dieselloks unterwegs sind, werden oft zwei Container übereinander gestapelt.
Auch beim California Zephyr bestehen die modernisierten "Superliner"-Wagen aus ziemlich hohen Doppelstöckern, das Geschehen spielt sich hauptsächlich im Obergeschoß ab, so dass man stets eine wunderbare Aussicht auf die Landschaft hat. Neben Gepäck- und Schlafwagen gibt es in der Mitte einen klassischen "Dining-Car" und daneben den "Lounge-Car" mit Glasscheiben bis unters Dach und drehbaren Sightseeing-Sesseln, danach folgt die "Coach Class" mit bequemen Liegesesseln mit unglaublich viel Beinfreiheit.
Schlafwagenschaffner James empfängt seine Gäste freundlich lächelnd am Eingang des Waggons. Da ist es wieder, eines dieser Bilder, die man aus unzähligen Filmen kennt und die einen in den USA stets begleiten: ein Schaffner in Uniform vor einem silberfarbenen Zug, wie er Fahrgästen über das obligatorische gelbe Treppchen in den Zug hilft.
Im Untergeschoß befinden sich Gepäckablage, Dusche und Toiletten. Viele Reisende sind es nicht an diesem Morgen, gerade mal vier bis fünf Abteile in dem neuen Doppelstockwagen sind belegt. "Das wird wohl so bis Chicago bleiben", meint James und stellt sich schon mal auf eine stressfreie Bahnfahrt ein. Am meisten sei in den Sommermonaten und an Feiertagen los, dann würden viele Senioren mit seinem Zug reisen.
Oben im ersten Stock erklärt er die Funktionen des kleinen "Roomette"-Abteils. Auf den ersten Blick wirkt es winzig, aber wenn man die zwei breiten Sessel ausklappt, hat man ein recht bequemes Schlafabteil mit einem großen Panoramafenster. Man schläft erfreulicherweise in Fahrtrichtung, hat neben sich einen handbreiten Garderobenschrank und kann die Tür verriegeln. Oben lässt sich ein zweites Bett herunterklappen, doch wie man sich zu zweit eine solche Zelle teilen soll, will man sich lieber nicht vorstellen.
Doch im Serviceland-USA scheint "Space" so etwas wie ein Grundrecht zu sein: Reisende werden in der Regel einzeln auf Kabinen oder Sitzreihen verteilt. Wer nicht alleine reist und es sich leisten will, dem seien die größeren "Bedrooms" mit eigener Toilette und Dusche am anderen Ende des Waggons empfohlen.

Zum Lunch ins Gebirge

Nachdem alle untergebracht sind, geht es pünktlich los. Der Zug rollt langsam aus Emeryville nach Norden die Bay entlang, nochmals sieht man eindrucksvoll übers Wasser hinweg die Golden Gate Bridge am Horizont. Bis in die kalifornische Hauptstadt Sacramento geht es fast immer am Wasser entlang, vorbei an alten Industrieanlagen, Häfen und flacher Landschaft. In der Suisun-Bay ruht die "eingemottete" Kriegsflotte der US-Navy. Riesige Schiffe liegen miteinander vertäut hier vor Anker und werden nur im Krisenfall aktiviert.
Viele Reisende finden sehr schnell den Weg zum Lounge-Car, wo man in der Tat eine schöne Rundumsicht und Blicke ins weite Land genießt. Bevor hinter Sacramento der Aufstieg in den fast 600 Kilometer langen Gebirgszug der Sierra Nevada beginnt, steigt ein Mitarbeiter des dortigen Eisenbahnmuseums in den Zug und wird auf der mehrstündigen Fahrt bis Reno allerlei Anekdoten rund um die Bahn erzählen und touristische Tipps geben.
Während sich der Zug langsam durch herbstlich goldene Wälder über 130 Jahre alte Schleifen in die Sierra Nevada vorarbeitet, wird im Dining-Car die erste Lunch-Runde eingeleitet. Zur Auswahl stehen Salat, diverse Hamburger und Kartoffelchips. Nicht weltbewegend, aber für amerikanische Verhältnisse auch nicht schlecht. Wer ein Sleeper-Abteil gebucht hat, bekommt täglich drei Mahlzeiten inklusive, lediglich alkoholische Getränke müssen extra bezahlt werden. Bei den relativ hohen Preisen im Speisewagen ist das bei einer dreitägigen Zugfahrt wirklich kein schlechter Deal. Dass Reisende grundsätzlich zusammen an einem Tisch platziert werden, mag für Nicht-Amerikaner zunächst ungewöhnlich erscheinen, erleichtert die Kommunikation aber ungemein. Die meisten Amerikaner sind sehr höflich und stellen sich oft unaufgefordert mit Namen vor. Die obligatorischen Fragen nach Ziel und Zweck der Reise führen schnell zu munteren Kontakten und Gesprächen. Bald sind wir mitten im Gebirge, passieren Felsen und Flüsse. Immer wieder tauchen zwischen den herbstlich gefärbten Eichenwäldern kleine Goldgräber-Städtchen mit alten Saloons und kleinen Läden auf. Idyllische Orte wie Truckee erinnern einen an alte Wildwest-Filme oder die Waltons. Auf fast 2.200 Meter Höhe überquert der Zug schließlich den Donner-Pass, benannt nach der Familie, die hier 1846 auf ihrem Treck nach Westen tragische Geschichte geschrieben hat.
Mit dem Nationalpark rund um den Lake Tahoe ist die Grenze zu Nevada erreicht, entlang des Truckee-Rivers geht es bergab entlang historischer Pilgerströme. Da wir im Gebirge die ganze Zeit extrem langsam unterwegs sind, haben wir es am Abend lockert geschafft, bis Reno eine gute Stunde Verspätung anzuhäufen.
In der "Biggest Little City of the World" blinken in der Abenddämmerung die Neonlichter fast wie auf dem Strip in Las Vegas und wollen Touristen zum bereits 1931 legalisierten Glücksspiel locken. Doch für mehr als eine Zigarette bleibt den Zugpassagieren keine Zeit. Die längeren Stopps werden stets ausführlich vom Schaffner angekündigt: "Hello folks, this is your conductor!" Für die, die es nicht lassen können: fünf Minuten Rauchpause in Reno, bitte nicht weit vom Zug entfernen und auf das Tröten der Lok achten!
Schnell kommt die Dunkelheit während es weiter durch Nevadas karge Weiten geht, die erste Dinner-Runde im Dining-Car steht an. Diesbezügliche Reservierungen hat die freundliche Restaurant-Chefin schon am Nachmittag beim Gang durch den Zug gesammelt. Das Abendessen ist nicht schlecht, der Gast hat wieder die freie Auswahl unter diversen Menüs und Desserts, es gibt sogar frisch gegrillte Steaks.
Diesmal sitzen Dan und Rosie mit am Tisch. Die beiden sind zwar noch keine Rentner, fahren aber gerade mit einem Vier-Wochen-Pass kreuz und quer durch die USA und Kanada. Sie kennen sich daher sehr gut mit dem Bahnsystem aus, und schnell sind wir bei den politischen Hintergründen und Ärger über Regierungen, die sich seit Jahrzehnten nicht um die Bahn kümmern. Angesichts dürftiger Infrastruktur und spärlicher Verbindungen scheint Bahnfahren hier noch eine echte Passion zu sein. Auch Melanie aus San Francisco kennt sich erstaunlich gut mit Zügen aus, obwohl sie normalerweise an die Ostküste fliegt. Sie weiß sogar, dass Amtrak seit 1971 vom Staat subventioniert wird, um auch weiterhin einen einigermaßen akzeptablen Personenverkehr quer durch die USA anzubieten. Dennoch sei Amtrak stets von den politischen Verhältnissen abhängig und ewiger Kritik ausgesetzt, seit Jahrzehnten werde über die Zukunft der Bahn gestritten und nichts getan.
Bis auf den Nordost-Korridor befinden sich die meisten Gleise und Bahntrassen im Privateigentum der Frachtgesellschaften wie Union Pacific, weshalb Amtrak für die Fahrt quer durch den Kontinent Trassenpreise bezahlen muss. Da der Güterverkehr absoluten Vorrang hat, sind die Gleise oft heruntergewirtschaftet. Gerade nachts merkt man das, wenn man über ausgefahrenen Gleisen in den Schlaf geschaukelt wird.

Endlose Weiten

Der Morgen am zweiten Tag beginnt mit dem Blick aus dem Fenster auf weite, grandiose Wüstenlandschaft. Wir haben über Nacht das Nevada-Becken durchquert und sind in Utah angekommen, die Uhren müssen auf Mountain-Zeit eine Stunde vorgestellt werden. Nachts um vier Uhr morgens haben wir das hell erleuchtete Salt Lake City passiert.
Dan und Rosie sind hier ausgestiegen, haben sich ins Hotel aufgemacht und wollen 24 Stunden später wieder mit dem California Zephyr weiter nach Osten fahren. Vor dem Abteil liegt die aktuelle Morgenzeitung aus Salt Lake City. Man kann nun im Dining-Car frühstücken oder sich bei James einen Kaffee holen und im Abteil in Ruhe den Alltag im Mormonenstaat studieren.
Obwohl man eigentlich von morgens bis abends nur im Zug sitzt, kommt bislang kaum Langeweile auf. Farben und Landschaften ändern sich ständig, und angesichts der oft endlosen Weite und menschenleerer Gegenden fällt man in einen ruhigen, fast schon meditativen Gemütszustand. Es scheint, als würden sich die Gedanken wie die Landschaften am Horizont auflösen. Beim steten Blick aus dem Fenster wird einem schnell klar, welche Bedeutung die Eisenbahn einst für die Erschließung des Westens hatte und für den Warentransport von Küste zu Küste heute noch hat.
Ein weiterer Höhepunkt jeder transkontinentalen USA-Reise ist sicherlich die Überquerung der Rocky Mountains. Der California Zephyr erreicht die Gebirgskette zwischen Salt Lake City und Denver in Colorado. Hinter dem Versorgungsstützpunkt Grand Junction folgen die Gleise dem Colorado-Tal mit ersten Einblicken in die Welt der Canyons. Richtig spektakulär wird es bei Glenwood Springs, wegen der heißen Quellen auch heute noch beliebter Touristenort mit alpinem Charme.
Der Zug fährt langsam den engen Kurven des Glenwood Canyons folgend immer weiter bergauf, die rotbraunen Berge steigen links und rechts fast senkrecht in die Höhe, oben liegt zwischen den spärlichen letzten Bäumen bereits Schnee. Dieser Canyon hat seinen Namen wieder einmal verdient. Schnell füllt sich der zur Mittagszeit fast menschenleere Lounge-Car wieder, die Fotoapparate bleiben im Dauereinsatz. Wieder ist die Bahnreise von langsamem, fast gemächlichem Dahinschaukeln geprägt, nach Verlassen des Canyons weitet sich die Landschaft wieder und wird zusehends karger. Selbst hier auf über 2000 Metern Höhe finden sich noch Farmland und Wiesen mit weidenden Büffeln.
Am Horizont zeichnen sich bereits die tief roten Felsen des Red Canyons ab. So geht es weiter bergauf durchs Hochgebirge bis Granby, dem Eingang zum Rocky Mountain National Park, und Winter Park mit dem Städtchen Fraser. Bald wird es wieder grüner, die Landschaft erinnert mit den vielen Nadelbäumen und der rotbraunen Erde an das Kalifornische Hinterland, obwohl die mit Schnee bedeckten Berggipfel doch eher auf kühleres Klima deuten.
Beim nächsten Canyon wird die Schlucht wieder enger, der Fluß wird zum reißenden Gebirgsbach, Schneeregen setzt ein, hinter einem kurzen Tunnel hängen zwei verbeulte entgleiste Güterwaggons Furcht einflößend am Abhang. Der Zug windet sich immer weiter nach oben, man denkt unweigerlich an Schweizer Gebirgsbahnen, die angesichts der nicht minder spektakulären Strecken durch die Rocky Mountains plötzlich ein wenig an Glanz verlieren.
Wieder öffnet sich unvermittelt eine weite Ebene, Farmen und vom Schnee weiß bestäubte Weiden tauchen auf, ein Rudel Rehe schlägt sich vor dem Zug in die Büsche. Mehrfach heißt es auf Ausweichgleisen warten, um einen Güterzug der Union Pacific vorbeizulassen. Unser Conductor entschuldigt sich bei den Passagieren und weißt darauf hin, dass dies allein die Entscheidung der Zugleitung von Union Pacific sei. Frachtzüge gehen eben vor.
Mit der Zeit wird es im Zug immer familiärer, etwa wenn der Lounge-Car-Attendent wieder mal seine Essenspause ankündigt bedauert, dass es leider die nächsten 45 Minuten bei ihm kein Bier zu kaufen gibt. Oder wenn sich unser "Conductor" vor der Dunkelheit im sechs Kilometer langen Moffat-Tunnel gruselt...

Bessere Bahn

Tag 3, heute gibt es als Frühstückslektüre den Omaha-Boten. Seit wir am späten Abend Denver hinter uns gelassen haben, scheint der Zug nur noch mit stetigem Tröten geradeaus durch die Landschaft zu rauschen. Der morgendliche Blick aus dem Abteilfenster bestätigt es: draußen ist es flach, die Welt sieht im Gegensatz zu bisher sehr winterlich aus. Kahle Bäume statt herbstlicher Farben, endlose abgeerntete Felder bis zum Horizont, darüber ein bleigrauer Himmel, der sich bis Chicago halten soll.
Inzwischen sind wir in Iowa im mittleren Westen, Nebraska mit der größten Stadt Omaha haben wir über Nacht spurlos durchquert. Die Höhepunkte der Reise liegen zweifellos hinter uns, bis Chicago passiert landschaftlich nichts wirklich Spektakuläres. Vieles wirkt vertraut und erinnert an eine Winterreise durch nordeuropäisches Flachland.
Hin und wieder taucht eine Kleinstadt vor dem Fenster auf, dazwischen einzelne Farmen, heruntergekommene Fabriken, Felder, Kühe. Der Zug stoppt an Orten mit indianischen Namen wie Osceola oder Ottumwa, während andere Städte ohne Halt und mit Dauerhupen durchquert werden. Immerhin gibt es hier richtige Bahnhöfe mit richtigen Bahnsteigen. Etliche Meilen vor Chicago wird die Besiedlung merklich dichter, der typische Mischmasch der Suburbs mit Wohngebieten, Autohäusern, Shoppingmalls, Industriegebieten setzt ein.
Beim letzten Lunch vor Chicago sitzen wieder drei versierte Bahnfahrer mit am Tisch. Madelein, Jim und Jack haben schon fast alle großen Strecken abgefahren und können allerlei Geschichten von verspäteten Zügen zum Besten geben. Auch hier sitzt der Frust tief, alle machen sich Sorgen um die Zukunft der Eisenbahn unter der Bush-Regierung und wünschen sich endlich ein besseres, verlässlicheres Bahnsystem. Europa mit seinen guten Städteverbindungen erscheint ihnen in dieser Hinsicht swie ein Paradies.
Kurz vor Chicago kommt James nochmals ins Abteil, um die Betten für die Rückfahrt vorzubereiten und die Bezüge zu wechseln. Fast kommt ein wenig Melancholie auf, nach drei Tagen im California Zephyr fühlt man sich fast schon heimisch und könnte mit all den netten Menschen einfach so weiter fahren, vielleicht weiter nach New York, Boston oder Washington?
Am Horizont taucht unter trübem Himmel die beeindruckende Skyline von Chicago auf, wieder so ein vertrautes Filmbild. "Noch sieben Minuten" sagt der Conductor, bitte alle auf den Plätzen sitzen bleiben, bis der Zug in der unterirdischen Union-Station zum Stillstand kommt. Dank Puffer im Fahrplan sind wir trotz bisheriger Verspätung pünktlich um 15.20 Uhr am Tag 3 unserer Reise im winterlichen Chicago. Dann ist es vorbei. James hilft über das Treppchen, reicht das Gepäck durch die Tür, lächelt zum letzten Mal und sagt "Thank you for riding Amtrak".



Alle Angaben und Links ohne Gewähr, Stand: April 2009



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© SCRITTI.Kommunikation, Autor: Michael Schwager

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